Erbschaft in Bits und Bytes – so organisieren Sie Ihr digitales Erbe

Deutschland wird immer digitaler: Laut ARD/ZDF-Onlinestudio sind 94 Prozent aller Bundesbürger:innen im Internet unterwegs. Alleine Facebook verzeichnete im März 2022 insgesamt 47 Mio. aktive Facebook-Nutzer:innen in Deutschland . Auch Spotify, Netflix & Co. erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Doch was passiert mit einem Zugang, wenn ein User oder eine Userin stirbt? Im Regelfall gilt: Das Nutzerkonto läuft nach dem Tod weiter! Deshalb ist es wichtig, Ihr digitales Erbe zu Lebzeiten zu regeln.

 

Was ist digitales Erbe bzw. digitaler Nachlass?

Nutzerkonten bei Mailing-Diensten, Online-Shops oder sozialen Netzwerken stellen ein digitales Erbe dar. Denn diese Daten sind nach dem Ableben eines Users oder einer Userin prinzipiell weiter aktiv. Auch online abgeschlossene Verträge müssen nach dem Tod des Vertragsnehmers bzw. der Vertragsnehmerin erfüllt werden – hier sind die Erben in der Pflicht. Ein Facebook-Konto bleibt ohne Zutun der Hinterbliebenen ebenfalls sichtbar, selbst wenn die Timeline schon lange stillsteht. Und private Fotos eines oder einer Verstorbenen können jahrelang in der Dropbox ihr Dasein fristen, wenn niemand die Zugangsdaten kennt.

Gehört der Inhalt eines digitalen Accounts bei Facebook & Co. den Erben?

Ja, da Verträge mit sozialen Netzwerken generell Teil des Erbes sind. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Jahr 2018 ein entsprechendes Urteil (Az. III ZR 183/17) gefällt und bestätigt, dass Erben den Zugriff zu Social-Media-Accounts der verstorbenen Person erhalten dürfen – einschließlich den Kommunikationsinhalten (zum Beispiel Chatverläufe auf Facebook).

Was passiert mit meinem digitalen Erbe nach meinem Tod?

Der digitale Nachlass ist vergleichbar mit anderen Erbgegenständen wie einer Immobilie oder Bargeld. Deshalb gehen die digitalen Daten – wie alles andere Vermögen – auf eine oder mehrere Personen über. Das Problem dabei ist: Der Nachlass im Internet kann sehr unbequem werden, beispielsweise, wenn kostenpflichtige Abonnements weiterlaufen. Umso wichtiger ist es daher, ein digitales Erbe zu regeln.

Was gehört zum digitalen Erbe? Checkliste Ihrer Internetaktivitäten erstellen

Um ihr digitales Erbe zu ordnen, sollten Online-Nutzer und -Nutzerinnen bereits zu Lebzeiten eine Übersicht ihrer kompletten Internet-Aktivitäten erstellen. Dabei kommen oft mehr Zugänge zusammen, als man denkt! Dazu gehören:

  • E-Mail-Accounts
  • Shopping-Accounts
  • Newsletter-Anmeldungen
  • Profile bei sozialen Netzwerken, Dating-Plattformen und Foren
  • Online-Banking-Konten
  • Online-Bezahldienste (giropay etc.)
  • Accounts bei Foto-, Video- und Musikstreaming-Diensten
  • Konten bei Entertainment-Services inklusive kostenpflichtiger Premium-Mitgliedschaften
  • eigene Blogs und Abos

Für Dritte nicht einsehbar, aber im Todesfall auffindbar, sollten zu jedem Account die Log-in-Daten notiert werden. Ein digitaler Nachlass sollte im Regelfall die E-Mail-Adresse, den Nutzernamen und das Passwort enthalten. Außerdem sollte ein zusätzliches handgeschriebenes Dokument einen oder mehrere Bevollmächtigte nennen (Vor- und Zuname, Adresse, am besten auch Geburtsdatum), der/die sich dann später um die digitalen Zugänge kümmern darf/dürfen. Wichtig ist zudem, dass im Dokument die Formulierung „auch über meinen Tod hinaus“ steht. Ein Tipp: Die Vollmacht für Ihr digitales Erbe kann auch schon zu Lebzeiten eingesetzt werden, zum Beispiel, wenn der User schwer erkrankt und eine Vertrauensperson sich um die Online-Accounts kümmern soll.

 

Wie sollte ich mein digitales Erbe regeln?

Die Liste aller Accounts und die Vollmacht sind – eigenhändig unterschrieben und mit einem Datum versehen – am besten zusammen mit dem Testament aufzubewahren. Am sichersten lagern diese Dokumente bei einem Notar. Wichtig: Sobald sich ein Passwort ändert oder ein weiterer Account eröffnet wird, sollte Ihr digitaler Nachlass aktualisiert werden. Als praktischer erweist es sich daher, wenn Sie zum Beispiel die Zugangsdaten auf einem USB-Stick speichern oder einen Passwortmanager nutzen.

Hinterbliebene bzw. eine Vertrauensperson (als „digitaler Nachlassverwalter“), die diese Übersichten in die Hand bekommen, können dann zum Beispiel die hinterlegten Dateien aus der Cloud herunterladen, offene Rechnungen prüfen und gegebenenfalls noch bezahlen sowie sämtliche Services löschen.

 

Tipp

Ein Fachanwalt für Erbrecht kann Ihnen dabei helfen, Ihr digitales Erbe zu verwalten und die richtigen Vorkehrungen zu treffen. Das ist empfehlenswert, wenn beispielsweise Urheberrechte an Ihren Inhalten betroffen sind oder Sie andere spezielle Fragen haben.

 

Wie bekomme ich als Erbe Zugriff auf die digitalen Konten?

Im Idealfall hat Ihnen der oder die Verstorbene eine Liste mit Zugangsdaten hinterlassen. Andernfalls müssen Sie sich direkt an den Online-Anbieter wenden. Die meisten Anbieter haben inzwischen einen speziellen Link eingerichtet, damit Erben den digitalen Nachlass verwalten oder löschen können. Oft lassen sich hier auch verkürzte Sonderkündigungsfristen nutzen. Es kann allerdings sein, dass Betreiber von Onlineportalen einen Nachweis über den Todesfall haben möchten, auch ein digitaler Nachlass erfordert oft eine Sterbeurkunde. Bei vielen Online-Anbietern dürfen Nutzer:innen selbst über ihr digitales Erbe bestimmen. So lässt sich zum Beispiel bei Facebook festlegen, ob im Todesfall der Account in einen Gedenkzustand versetzt werden soll (das Profil ist noch sichtbar und Lesende können Beileidsbekundungen abgeben) – oder aber komplett gelöscht wird. In letzterem Fall werden die hinterlegten Bilder und Nachrichten dann innerhalb einer bestimmten Frist entfernt.

Bitcoins, Bücher, Blogs: digitaler Nachlass bei Vermögenswerten

Digitaler Nachlass betrifft auch Spiele-, Musik-, Film- und Buchdateien, die von einer Person im Laufe der Jahre im Internet erworben wurden. Diese können unter Umständen einen erheblichen Wert darstellen. In den meisten Fällen regeln die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter, dass im Todesfall die Nutzungsrechte an den Dienstbetreiber zurückfallen (zum Beispiel bei iTunes) – schließlich sind die heruntergeladenen Daten an ein bestimmtes Nutzerkonto gebunden.

Noch nicht im deutschen Erbrecht geregelt ist jedoch der folgende Fall des digitalen Erbes: Erbt ein Hinterbliebener oder eine Hinterbliebene zum Beispiel ein Tablet oder einen E-Book-Reader und das Gerät ist noch beim Online-Dienst angemeldet, kann er auch auf die gespeicherten Daten zurückgreifen – und zum Beispiel Musik hören, Filme ansehen oder E-Books lesen.

Auch weitere Spezialfälle im Bereich digitaler Nachlass sind noch nicht einwandfrei geregelt: Was ist zum Beispiel, wenn der oder die Verstorbene einen erfolgreichen Blog im Internet hatte? Wem gehören die Rechte an Texten und Bildern? Wie verhält es sich mit eventuellen Werbeeinnahmen? Und was passiert mit digitaler Währung wie Bitcoins nach dem Tod, wenn der Private Key verschwunden ist?

Tipp

Solange die rechtlichen Aspekte des digitalen Erbes noch nicht eindeutig geklärt sind, sollten Online-Nutzende ihr Testament um diese Punkte ergänzen und dezidiert auflisten, an wen das digitale Vermögen im Todesfall gehen soll.

 

Finger weg von dubiosen Online-Dienstleistern

Da das Thema digitaler Nachlass immer mehr an Bedeutung gewinnt, gibt es mittlerweile auch spezielle Unternehmen, die im World Wide Web die Abwicklung des digitalen Erbes anbieten. Auch wenn sicherlich nicht alle Anbieter zu den schwarzen Schafen gehören, weist die Verbraucherzentrale darauf hin, wie schwer es ist, die Seriosität dieser Anbieter zu überprüfen. Zudem rät sie unbedingt davon ab, externen Dienstleistern private Passwörter zu überlassen. Der digitale Nachlass ist und bleibt Sache der Erbenden. Mit den beschriebenen Tipps können Internet-Nutzende aber dafür sorgen, dass ein digitales Erbe nicht zur Bürde aus Bits und Bytes wird.